Autorin Mehrnoush Zaeri-Esfahani zu Besuch am AJG

„Pilgerin aus Isfahan, und mein Pilgerweg war es, Freiheit und Frieden zu finden“

„Ich werde nie wieder in den Iran zurückkehren können!“ antwortet die Autorin auf Nachfrage einer Schülerin am Ende der Erzählstunde.

An einem Dienstag war es endlich so weit: Mehrnoush Zaeri-Esfahani besuchte das Arnold-Janssen-Gymnasium im Rahmen einer Lesereise. Sie erzählte den Schülerinnen und Schülern des neunten Jahrgangs, die ein Portfolio zu ihrem Roman erstellen, über ihre Vergangenheit, in der sie nach 14 Monaten Fluch schließlich in Deutschland angekommen ist. Die Schülerinnen und Schüler lesen zuvor ihren Roman „33 Bogen und ein Teehaus“ und hatten sich mit vielen Fragen an die Autorin auf die Lesung vorbereitet.

Zuerst stellte sich die Autorin vor und nannte grundlegende Fakten: Sie ist gelernte Sozial-arbeiterin, womit sie sehr erfolgreich ist. Sie ist mit einem deutschen Mann verheiratet und hat drei Kinder.

Wie ist sie Autorin geworden? Im Jahr 2012, zu dem Zeitpunkt war sie 38, bekam sie schwere Depressionen. Sie beschrieb, dass es sich angefühlt hatte, als läge vor ihr ein Abgrund, wo sie hineinfallen würde. Sie hatte keine Kraft mehr und dachte, ihr Lebensweg ginge nicht weiter. Sie hatte an nichts mehr Freude und hatte nur sehr wenig Geduld mit allem. Daher holte sie sich professionelle Hilfe, wobei sich herausstellte, dass ihr irgendetwas fehlte, man wusste jedoch nicht, was es war.

Das Problem lag in ihrer Kindheit. Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr lebte sie im Iran. Sie beginnt mit ihren schönen Kindheitserinnerungen und erzählt, dass es mittags immer sehr heiß wurde und die Familie zwei bis drei Stunden Siesta gemacht. Abends ist die Familie oft an Mehrnoushs´ Lieblingsplatz, die Brücke mit den 33 Bögen gegangen, und sie haben ein Eis gegessen. Dies genossen alle sehr. Doch der Schah machte Probleme: Er dachte, dass er sich und den Iran sehr reich zeigen müsse und dafür investierte er sehr viel Geld. Das war der Grund, warum dort viel Armut herrschte. Mehrnoushs Familie hatte jedoch Glück, da ihr Vater anerkannter Arzt und ihre Mutter Krankenschwester waren. Im Jahr 1978 protestierte die Bevölkerung ein Jahr lang gegen den Schah und eine Revolution brach aus. Diese war erfolgreich, da z.B. aufgrund eines großen Staus viele LKWs mit den Waren nicht mehr an ihr Ziel kamen. Zu diesem Zeitpunkt kündigte Khomeiny, der von der Mehrheit der iranischen Bevölkerung erwünschte religiöse Führer, an, er würde für Reichtum im ganzen Land sorgen und es gäbe keine Armut mehr. Eines Nachts „erschien“ Khomeiny dann im Mond. Alle Menschen standen auf ihren Dächern und „sahen“ ihn an, nur der jüngere der beiden Brüder von Mehrnoush sah ihn nicht.

Kurz darauf kam Khomeiny an die Macht. Er hatte gesagt, dass Gott ihn auserwählt hätte, um das Paradies auf die Erde zu bringen. Es gab keine Wahlen, weil er meinte, dass sowieso alle ihn wählen würden und alle, die etwas dagegen sagten, wurden hingerichtet. Außerdem wurde Vieles verboten, vor allem Frauen hatten bald keine Rechte mehr. Neben dem Führer Khomeiny gab es eine Mafia-Gruppe. Mehrnoush erklärte, dass man mit ihnen sehr vorsichtig sein müsse, da sie einen schon angreifen, wenn man sie nur anschaut. Außerdem besaßen sie sehr viel Geld und bestimmten zum Beispiel den Inhalt der Schulbücher. Heute gäbe es keinen Iraner/keine Iranerin, die noch nicht von der Mafia bedroht wurde, erklärte die Autorin.

Sie kam dann in ihrem Bericht dazu, dass sie aufgrund der vielen Gesetze und Vorschriften aus dem Iran flüchteten und nach Istanbul in die Türkei kamen. Dort hatten sie kein Geld mehr, da ihre Eltern keine Arbeit mehr hatten. Zuvor hatte ihr Vater Tag und Nacht im Krankenhaus gearbeitet und heilte nachmittags die Armen in einer separaten Praxis, betonte Frau Zaeri-Esfahani. Von dort aus ist die Familie weiter nach Deutschland geflüchtet, wo Mehrnoush jetzt immer noch lebt. Sie erzählte, dass sie 30 Jahre nicht über all das gesprochen hatte und dann aber reden musste. Die Familie war insgesamt sieben Jahre von Abschiebung bedroht. Diese lange Zeit hatten sie also alle schlecht geschlafen, da die Polizei zur Abschiebung nur nachts gekommen wäre. Daraufhin meinte die deutsche Regierung, dass die Familie sich beweisen musste, was sie erfolgreich getan hatten.

Nach 30 Jahren schrieb Mehrnoush also Tagebuch. Dies fiel ihr gar nicht schwer, da sie in ihrer Vergangenheit sehr genau beobachtet hatte. Zu dieser Zeit schrieb sie ein weiteres Buch, „Das Mondmädchen“. Sie schrieb eine Woche lang daran, ohne etwas zu essen oder zu trinken.

Am Ende der Vorstellung durften die Schülerinnen und Schüler ihre vorbereiteten Fragen an die Autorin stellen: Eine Schülerin fragte: „Können sie sich vorstellen, jemals in den Iran zurückzukehren?“ Mehrnoush antwortete, dass sie zu viel Angst davor hat und es wahrscheinlich nicht schafft, aber sie glaubt, dass ihre Kinder diese Reise für sie erleben werden. Dann erklärt sie noch, dass ihre Verwandten jetzt überall verteilt leben und dass während der Flucht viele Kontakte verloren gegangen sind. Nach weiteren spannenden Fragen war die Zeit auf einmal vorbei und die Organisatorin Miriam Brincks bedankte sich herzlich bei der Autorin und einer Akteurin des zu dem Roman passenden Theaterstücks, das die Jugendlichen in Münster besuchen durften. 

Franziska Reinke (9a)

ÄHNLICHE BEITRÄGE

2024-10-21T11:25:40+02:00
Nach oben