Vom AJG-Schüler zum Audi-Chef

Interview mit Markus Duesmann, Vorstandsvorsitzender der Audi AG

Der Chef von Audi hat 1988 am AJG Abi gemacht. Markus Duesmann (51) ist seit dem 1. April 2020 Vorstandsvorsitzender der Audi AG, Chef der Konzernforschung und -entwicklung sowie Leiter des China-Geschäfts und Baureihen. Damit hat er einen Spitzenjob in der Automobilbranche inne – und Verantwortung für rund 90.600 Mitarbeiter und einem Jahresumsatz von 55,7 Milliarden Euro (2019). Wie legt man eine solche Karriere hin? Und was hat die alte Penne, das Arnold-Janssen-Gymnasium der Steyler Missionare, an Grundlagen dafür gelegt? Darüber sprach die MV mit Markus Duesmann. Und auch darüber, was ein Vorstandsvorsitzender den ganzen Tag so macht.

Abi 1988 am AJG – mit welchen Fächern und welcher Note haben Sie abgeschlossen?

Markus Duesmann: Ich habe mich damals für Physik, Erdkunde, Mathe und Englisch entschieden – das sind auch genau die Themen, die mir bis heute viel Freude bereiten. Ich war mit meinen Ergebnissen recht zufrieden – ob das meine Lehrer auch waren, weiß ich nicht (schmunzelt).

Wann war Ihr letztes Abi-Treffen? Was waren die Themen? Wurde über Ihren Beruf gesprochen? Wissen die Arnoldianer von Ihrer Karriere?

Duesmann: Unser letztes Treffen war im Jahr 2018. Wir haben dabei über unsere gemeinsame Schulzeit und natürlich auch über die Zeit danach gesprochen. Damals hatte ich gerade entschieden, von BMW zu Audi zu wechseln, und klar haben wir uns dann auch viel darüber unterhalten, wie meine Karriere verlaufen ist.

Hatten Sie schon zu Schulzeiten eine Affinität zu dem, was Sie heute beruflich machen? Hat sich da irgendetwas abgezeichnet?

Duesmann: Mich hat schon immer alles begeistert, was sich bewegt – Autos, Motorräder und als Münsterländer natürlich Fahrräder. Gleichzeitig habe ich einen enormen Drang zu Technik. Bereits mit 17 Jahren habe ich mir mein erstes Auto gekauft, ohne überhaupt einen Führerschein zu haben. Ich wollte wenigstens daran herumschrauben. Früh war klar, dass es bei mir in Richtung Maschinenbau geht. Das habe ich schließlich an der FH Münster studiert und bisher keine Millisekunde bereut.

Welche Erinnerungen haben Sie an das AJG? Welche Lehrer sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, welche Fächer? Gibt es heute noch Kontakte zur Schule/Lehrern/Arnoldianern?

Duesmann: Ich habe dort Werte vermittelt bekommen, die mich bis heute beeinflussen. Zum Beispiel klare Strukturen, Fairness und Vertrauen. Gerade Anfang Februar war ich nochmal dort. Das Missionshaus hat mich gerade wegen seiner Geschichte immer sehr beeindruckt. Und ich bin froh, dass zumindest das denkmalgeschützte Portal erhalten geblieben ist.

„Privat fahre ich momentan einen Audi e-tron GT. Das ist tatsächlich das beste Auto, das ich je gefahren habe, und der beste Beweis dafür, dass E-Mobilität richtig Spaß machen kann.

Markus Duesmann

Wie ging es nach der Schule in Ausbildung und Karriere weiter? Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Position gelangt?

Duesmann: Nach dem Abitur habe ich das Maschinenbau-Studium an der FH Münster innerhalb von drei Jahren relativ schnell durchgezogen. Ursprünglich hatte ich den Wunsch, mich selbstständig zu machen, da ich die Dinge gerne selbst in die Hand nehme und dafür die Verantwortung tragen möchte. Doch die Autobranche hat mich nach meinem Einstieg bei Mercedes-Benz 1992 nicht mehr losgelassen. Eine reizvolle Aufgabe folgte auf die nächste und mir wurde immer mehr Verantwortung übertragen. Dabei muss ich sagen, ich trage gerne Verantwortung. Vor allem die Zeit in der Motorenentwicklung für die Formel1 bei Mercedes und bei BMW war extrem spannend. Ich habe mich in all diesen Stationen sehr wohl gefühlt und mit tollen Menschen zusammengearbeitet. Doch ich muss zugeben: Chef von Audi zu sein, ist mein absoluter Traumjob und es fühlt sich fast so an, als wäre ich selbstständig (schmunzelt).

Hat Ihnen die Schule, das AJG, auf Ihrem beruflichen Weg geholfen?

Duesmann: Die große Ruhe und Präzision der Steyler Missionare in der Schule habe ich sehr geschätzt. Diese Philosophie lebe ich auch heute. Dass alle fair miteinander umgehen und Respekt vor der Freiheit der anderen haben, ist mir extrem wichtig. Also ja: Meine Zeit am AJG hat mich sehr geprägt – in erster Linie als Mensch und damit natürlich auch, wie ich in meinem Beruf handle und mit den Menschen dabei umgehe.

Was würden Sie den Abiturienten von heute raten, um eine gute Karriere hinzulegen?

Duesmann: Das Wichtigste ist, jeden Tag zu wissen, warum man aufsteht. Nur dann wird man erfolgreich – und vor allem glücklich. Klar braucht jeder feste Ziele. Entscheidend ist jedoch herauszufinden, wofür man wirklich brennt – ohne dabei direkt an die Karriere zu denken. Nur wenn wir in dem, was wir tun, einen Sinn sehen, können wir gut darin sein. Der Erfolg kommt dann meist von ganz alleine.

Woher stammen Sie, wo haben Sie zu Schulzeiten gelebt? Haben Sie Ihre Freizeit auch in Neuenkirchen verbracht?

Duesmann: Ich bin in der Region geboren und aufgewachsen (in Heek bei Gronau, Anm. d. Red.). Während meiner Zeit am AJG habe ich Freunde in vielen Orten rund um Neuenkirchen gefunden. Zu einigen habe ich bis heute noch Kontakt.

Wo und wie leben Sie heute?

Duesmann: Ich habe meinen Lebensmittelpunkt durch den Job natürlich in Ingolstadt. Es ist mir wichtig, dort zu leben, wo auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Audi zuhause sind. Ich habe aber auch noch eine zweite Heimat in den Bergen – dort kann ich bei meinen Hobbys Mountainbiken und Motorradfahren gut abschalten. Und ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern.

Was macht der Chef eines Autokonzerns den ganzen Tag?

Duesmann: Jeder Tag ist anders. Als ich vergangenes Jahr im April bei Audi gestartet bin, hat natürlich zunächst das Corona-Krisenmanagement den Alltag bestimmt. Unabhängig davon erleben wir gerade die wohl spannendste Zeit in der Autoindustrie. Das Auto wird digital und gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, Mobilität nachhaltig und umweltfreundlich zu ermöglichen. Um langfristig wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir schon heute weit in die Zukunft blicken. Wie sieht der Bedarf an Mobilität in zehn Jahren aus? Wie werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen dann sein? Unser Job ist es, das zu antizipieren und jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen. Damit beschäftige ich mich im Moment sehr. Gleichzeitig geht es um Verantwortung – die Verantwortung, Mobilität so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Das ist es, was mich antreibt.

Welches Auto fahren Sie? Und welches Auto würden Sie am liebsten fahren?

Duesmann: Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich viele tolle Autos testen und fahren darf. Es ist mir wichtig, nah an unseren Produkten zu sein. Privat fahre ich momentan einen Audi e-tron GT. Das ist tatsächlich das beste Auto, das ich je gefahren habe, und der beste Beweis dafür, dass E-Mobilität richtig Spaß machen kann.

Markus Duesmann wurde am 23. Juni 1969 in Heek bei Gronau geboren; heute lebt er mit seiner Familie in Ingolstadt. Im Jahr 1991 schloss er sein Maschinenbau-Studium an der FH Steinfurt als Diplom-Ingenieur ab. Seine berufliche Laufbahn begann 1992 als Konstrukteur V12 Serienmotor bei Mercedes-Benz in Stuttgart. 1995 wechselte er zum Entwicklungsdienstleister FEV GmbH nach Aachen und hatte dort verschiedene Funktionen inne, zuletzt Spartenleiter Motormechanik.

2004 übernahm Duesmann die Position des Hauptabteilungsleiters für neue Dieselmotoren bei der DaimlerChrysler AG in Stuttgart und wurde 2005 Leiter Entwicklung Formel 1 bei Mercedes-Benz in Brixworth in UK.

Im Jahr 2007 trat er als Leiter Formel 1 Antrieb in die BMW AG ein. Nach mehreren verantwortlichen Funktionen im Unternehmen wurde Duesmann im Oktober 2016 zum Mitglied des Vorstands für Einkauf und Lieferantennetzwerk der BMW AG berufen. Diese Funktion hatte er bis Juli 2018 inne.

Der Aufsichtsrat der AUDI AG hat Markus Duesmann mit Wirkung zum 1. April 2020 zum Vorsitzenden des Vorstands der AUDI AG bestellt. Gleichzeitig wurde er zum Konzernvorstand mit Verantwortung für die Konzernforschung und -entwicklung bestellt. Zusätzlich ist er mit der Verantwortung für das China-Geschäft der AUDI AG und mit der Leitung des Vorstandsressorts für Baureihen der AUDI AG betraut.

Münsterländische Volkszeitung

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2022-01-03T15:43:30+01:00
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